Über das Projekt

Worum geht es in dem Projekt? 

CareOrg legt den Schwerpunkt insbesondere auf die Meso-Ebene der transnationalen Organisation von Altenpflege in Europa. Diese wird gebildet von Vermittlungsagenturen, formellen und informelle Plattformen, sozialen Medien sowie transnational genutzten Infrastrukturen, wodurch der Fokus des Projekts auf den Entsenderegionen liegt, mit besonderem Augenmerk auf Mittel- und Osteuropa. CareOrg liefert dringend benötigte Einblicke, um eine nachhaltige und langfristige Altenpflege in Europa entwickeln zu können.

Wie arbeiten wir?

Wir sind ein internationales und interdisziplinäres Forschungsteam, bestehend aus Expert*innen auf den Gebieten der Arbeits-, Mobilitäts- und Alternsforschung, ansässig an der Goethe-Universität Frankfurt (Germany), der Karls-Universität in Prag (Tschechische Republik), dem Zentrum für Sozialwissenschaften in Budapest (Ungarn), der Babeș-Bolyai University in Cluj-Napoca (Rumänien), dem Institut für Systemische Alternativen in Kiew (Ukraine) und der Universität Amsterdam (Niederlande).

Im Rahmen des themenübergreifenden, international vergleichenden Forschungsdesigns wird CareOrg eine Kombination aus unterschiedlichen Forschungsmethoden anwenden, wie etwa vergleichende Policy-Analysen und fünf vertiefende, länderspezifische und themenorientierte Fallstudien.

Polen

Transnationale Vermittlungsagenturen als weichenstellende Akteure in der Regulierung und Professionalisierung von migrantischer Live-In-Pflege

Das Unterprojekt beleuchtet die transnationale Organisation von Altenpflege in Privathaushalten, vorwiegend in Deutschland, aber auch in Polen und, seit Kurzem, in den Niederlanden. Hierbei wird untersucht, welche Rolle Vermittlungsagenturen im Prozess der Definition und Kodifizierung dessen, was Live-In-Pflege sei, spielen. Das Hauptaugenmerk wird auf der Ausbildung und ihrer Anerkennung im Rahmen von Arbeitsmanagements- und Rekrutierungsprozessen liegen. Polen nimmt für Zentral- und Osteuropa eine Pionierrolle in der Entwicklung von Migrationsinfrastrukturen für die Altenpflege ein, sowohl als Empfängerland für Arbeitskräfte aus der Ukraine, als auch als Ansatzpunkt für die Rekrutierung aus anderen zentral- und osteuropäischen, beziehungsweise Nicht-EU-Ländern. Das Unterprojekt erforscht

  1. die Ausbildung als neu entstehendes Geschäftsfeld;
  2. Professionalisierung, Formalisierung und Digitalisierung der Anwerbung und Arbeit;
  3. die Institutionalisierung des Sektors: die Art, wie migrantische Live-In-Care-Arbeit in öffentlichen, akademischen und beruflichen Diskursen thematisiert wird und Einfluss auf Politiken und Regulierungen erhält.
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Tschechische Republik und Slowakei

Politische Mobilisierung, Kompetenzen und Wissen in geteilten Versorgungsinfrastrukturen

Diese Fallstudie widmet sich den miteinander verbundenen Fällen der Tschechischen Republik und der Slowakei. Hierbei liegt der Fokus auf der Entstehung gemeinsamer Infrastrukturen zur Rekrutierung von Pflegepersonal, Weitervermittlung an Kunden sowie für den Transport und die Ausbildung. Das Unterprojekt wird die Rolle untersuchen, welche diese geteilten Infrastrukturen spielen für:

  1. die Einführung und Schaffung „neuer” Zielländer für die Pflegearbeit;
  2. den Übergang zu einer formalisierten Pflegelandschaft und allgemeiner Professionalisierung; 
  3. die politische Organisation von Care-Arbeiter*innen.

Die Fallstudie priorisiert die Perspektiven der Care-Arbeiter*innen und wird mit ihren Bottom-up-Initiativen und sozialen Räumen beginnen, wie z. B. den selbstorganisierten Transportwegen oder Online-Foren, die oft als Rekrutierungsräume für Schulungen und politische Organisation durch Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften dienen. Im Rahmen der Studie wird ein besonderes Augenmerk auf neue soziale Beziehungen (Koalitionen, Spannungen oder Wettbewerb) gelegt, die zwischen Care-Arbeiter*innen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichem ethnischem Hintergrund entstehen.

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Ungarn

Plattformen, Agenturen und die ethnisierte Mobilität der Care-Arbeiterinnen
Der Schwerpunkt dieses Teilprojekts liegt auf der marktorientierten Pflege in Ungarn, insbesondere auf den verschiedenen Marktteilnehmenden, die in Ungarn im Sektor der häuslichen und stationären Pflege tätig sind. Die Studie stellt somit einen Fall vor, bei dem die Vermarktlichung der Altenpflege erst vor kurzem begonnen hat. Die abnehmende Rolle des Staates bei der Bereitstellung öffentlicher Pflegedienste für die ältere Bevölkerung hat zum Aufkommen neuer Akteure in der Altenpflege geführt. Der Markt für häusliche Pflege ist in Ungarn nur unzureichend reguliert. Vermittlungsagenturen, Matchmaking-Unternehmen und digitale Plattformen bringen zwar Angebot und Nachfrage zusammen, doch ihre Tätigkeiten wurzeln in informellen Praktiken. Die Fallstudie untersucht die operativen Strategien und Herausforderungen von Vermittlungsagenturen und Matchmaking-Unternehmen sowie die der Akteure auf dem formellen Altenpflegemarkt, z. B. der aufstrebenden privaten Pflegeheime als wichtige Komponente des Marketisierungsprozesses. Darüber hinaus trägt die Fallstudie zur Untersuchung von Migrationsbewegungen bei, die in historische Bindungen und ethnische Netzwerke von transnationalen Pflegekräften eingebettet sind und den lokalen Pflegemarkt prägen.
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Rumänien

Die transnationale Abwanderung von Pflegekräften und die Vermarktlichung der Altenpflege
Diese Fallstudie untersucht die Institutionalisierung und Vermarktlichung der Altenpflege in Rumänien. Infolge der massiven Migrationsbewegungen der letzten zwei Jahrzehnte hat das Land eine starke Abwanderung von Pflegekräften erlebt, deren Auswirkungen mehrere Generationen betreffen. In Verbindung mit der abnehmenden Rolle des Wohlfahrtsstaates, hat dies zu einer Reorganisation von generationenübergreifenden Pflegestrategien und zur Entstehung neuer Formen organisierter und professionalisierter Pflege geführt. Das Teilprojekt untersucht die Art und Weise, wie die Pflege älterer Menschen transnational organisiert wird, sowie die sich abzeichnenden neuen Formen von Pflegearrangements für ältere Menschen, die auf Outsourcing und Monetarisierung basieren und die Pflege aus dem privaten Bereich der Familie herauslösen.
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Die Ukraine

Die transnationale Abwanderung von Pflegekräften und Praktiken der Professionalisierung in der Altenpflege
Das Teilprojekt untersucht die Auswirkungen der Abwanderung und transnationalen Organisation von Pflege im ukrainischen Care-Regime, mit besonderem Augenmerk auf (zurückkehrende) Pflegekräfte und Lücken im Pflegesektor. Die konstante Abwanderung von Pflegekräften, die den ukrainischen Kontext kennzeichnet, hat eine fragmentierte, individualisierte und lokalisierte Altenpflegelandschaft hinterlassen, die durch ein schwaches, qualitativ schlechtes staatliches Engagement in Kombination mit individualistisch-familienbasierten Pflegepraktiken und der sporadischen, informellen Vermarktung von Pflegedienstleistungen gekennzeichnet ist. Die Fallstudie setzt den Fokus auf die Lücken im ukrainischen Pflegesektor, die Pflegearrangements der ukrainischen Pflegemigrant*innen und darauf, wie die Erfahrung der Pflegemigration ihre Wahl zwischen den verfügbaren Optionen prägt.

Wir sind uns der raschen und dramatischen Verschlechterung der Situation angesichts des Krieges in der Ukraine bewusst: Verlust von Menschenleben, massive Schädigung von Lebensgrundlagen, Infrastrukturen und Häusern, Abwanderung der Bevölkerung (insbesondere von Frauen mit Kindern) und eine damit einhergehende Veränderung der Demografie (Männer, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen bleiben zurück). All dies wird das Bild des Bedarfs an Pflege und ihrer Bereitstellung drastisch verändern. CareOrg hat die kollektive Verpflichtung und die wissenschaftlichen Kapazitäten, um auf die sich entwickelnde Situation zu reagieren.
Lernen Sie unser Team aus der Ukraine kennen

Wir setzen uns für engagierte Forschung ein: Wir werden in örtlichen Workshops partizipativ forschen, um Informationen für politische Interventionen, den Kapazitätsaufbau und die Ko-Produktion von Wissen (auf regionaler, nationaler und EU-Ebene) auszutauschen, und einen Dokumentarfilm drehen, um zentrale Beteiligte zu mobilisieren und ihnen eine aktive Rolle bei der Wissensproduktion zu ermöglichen.

Hintergrund des Projekts

Die Forschung zur globalen Care-Arbeit hat Widersprüche zwischen zugänglicher Care als ein Recht und ein öffentliches Gut, und ihrer Kommerzialisierung, die in erster Linie auf Marktfähigkeit und Rentabilität ausgerichtet ist, festgestellt. CareOrg wird dieses Spannungsverhältnis als Ausgangspunkt nehmen, aber die Debatte vorantreiben, indem es die wenig erforschte und untertheoretisierte Mesoebene der transnationalen Pflegeorganisation und ihre Prozesse der Kommodifizierung, Vermarktung, Professionalisierung und Transnationalisierung in den Vordergrund stellt. Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, wie sich die identifizierten Prozesse zu menschenwürdiger Arbeit verhalten, um praktische „Engpässe“ bei der Nachfrage und Bereitstellung von Pflege zu identifizieren und politische Implikationen vorzuschlagen auf der Grundlage der identifizierten Pflegelandschaften in der Region, ihrer transnationalen Pflegemärkte, Sorgeketten und Aspekte der sich überschneidenden Ungleichheiten.

CareOrg wird im Rahmen des Programms „Herausforderungen und Potenziale für Europa“ von der VolkswagenStiftung gefördert.
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